BIOGRAFIE

Franz Grothe (1908-1982): Leben und Werk

Franz Grothe gehörte seinerzeit zu den bedeutenden und erfolgreichsten Komponisten auf allen Gebieten der unterhaltenden Musik. Sein Schaffen erstreckt sich vom Volkslied über Schlager und Chanson bis hin zum Kunstlied. Hinzu kommen Revuen, Operetten, Musicals sowie zahlreiche Werke der konzertanten Unterhaltungsmusik. Ein Schwerpunkt seines Wirkens war die Filmmusik. Er komponierte zwischen 1930 und 1969 zu 170 Spielfilmen die Musik. Besondere Bedeutung legte er dabei auf seinen Filmschlager, von denen viele über Jahre zu Evergreens wurden.

Die Franz Grothe-Stiftung hat es sich zur einer ihrer Aufgaben gemacht, die Biografie und das Wirken von Franz Grothe wissenschaftlich kritisch zu erforschen. Ein Ergebnis dieser Forschungen ist ein erster umfassender Sammelband zu Grothes Leben und Werk, der 2019 in der Reihe Komponisten in Bayern (Band 64; Hg. Theresa Henkel und Franzpeter Messmer) erschienen ist.

Frühe Jahre, Erste Erfolge

Franz Grothe wurde am 17. September 1908 in Berlin in eine Musikerfamilie hineingeboren. Der Vater, der als Vertreter der Pianoforte-Fabrik Blüthner arbeitete, spielte Klavier, die Mutter war als Sopranistin ausgebildet. Ersten Musikunterricht erhielt Franz Grothe bereits mit fünf Jahren im familiären Umfeld. Nach dem Gymnasium folgte ein Studium an der Berliner Musikhochschule in den Fächern, Klavier, Violine und Theorie. Seine Lehrer waren u.a. Walter Gmeindl, Theodor Müngersdorf und Clemens Schmalstich, der einstige Kapellmeister der Königlichen Oper Berlin. Mit sechzehn Jahren sammelte Grothe bereits erste berufliche Erfahrungen als Pianist in der Band des Saxophonisten Eric Borchardt und als Assistent für den Revue- und Operetten-Komponisten Hugo Hirsch. Ein Gastspiel des amerikanischen Bandleaders Paul Whiteman wurde für Grothe zum prägenden Erlebnis und er beginnt sinfonische Jazz-Werke zu schreiben, mit denen er die Aufmerksamkeit des populären Orchesterleiters Dajos Béla erregt, der ihn 1926 als Pianist und Arrangeur in seine Band holt. Daneben instrumentierte Grothe für musikalische Größen wie Franz Lehár, Emmerich Kálmán, Rudolf Nelson und Robert Stolz. Dies war der Beginn einer steilen Karriere als Pianist, aber bald auch als Komponist. Richard Tauber, der populäre Tenor, nahm Grothes frühe Liedkompositionen für die Schallplatte auf und macht sie weithin bekannt.

Siegeszug des Tonfilms

In dieser Zeit entwickelte sich der Tonfilm als neues innovatives Medium, das Grothe faszinierte, und so wurde er rasch zu einem wesentlichen Vertreter der neuen Gattung der Tonfilmmusik. Bereits Die Nacht gehört uns (1929), einer der ersten deutschen Tonfilme, enthielt den Grothe-Schlager Wenn die Violine spielt. Die Liste seiner nun einsetzenden Erfolgsfilme ist lang, noch länger ist die seiner Evergreens und deren Interpreten. Damalige Filmstars wie Marta Eggerth, Willi Forst, Johannes Heesters, Lilian Harvey, Kirsten Heiberg, Lizzi Waldmüller, Marika Rökk und viele weitere beliebte Schauspielerinnen und Schauspieler der dreißiger und vierziger Jahre sangen Grothe-Lieder und machten sie populär. Zu den erfolgreichsten Filmen dieser Jahre zählen Produktionen wie Ihr grösster Erfolg (1934), Die blonde Carmen (1935), Napoleon ist an allem schuld (1938), Illusion (1941) oder Hab' mich lieb (1942), um nur einige Titel zu nennen. Auch für den ersten großen deutschen Farbfilm Frauen sind doch bessere Diplomaten (1939/41) schreibt Grothe die Musik sowie für den ebenfalls in Agfacolor gedrehten Revuefilm Die Frau meiner Träume (1944). An diesen Erfolgen beteiligt ist auch Willy Dehmel (1909-1971), der als Textdichter bei vielen der Grothe-Titel mitwirkte. Dehmel, dessen Verhalten (und sein Einfluss auf Grothe) in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur höchst kritisch ist, war ihm zugleich verwandtschaftlich als Cousin verbunden.

Tätigkeit in der Zeit des Nationalsozialismus

Franz Grothe übernahm unter den Nationalsozialisten ab 1941 die Position des Stellvertreters der Fachschaft Komponisten in der Reichsmusikkammer sowie ab 1942 die des Gruppenleiters für Operette und Gehobene Unterhaltungsmusik im Großdeutschen Rundfunk. Seit dem 1. Mai 1933 war er Mitglied der NSDAP. 1942 wird Grothe zum Leiter des Deutschen Tanz- und Unterhaltungsorchesters.

Als Funktionär aber auch als Komponist von Filmmusiken unterstützte Grothe somit das Regime, nahm selbst aber – wie viele seiner Zeitgenossen – offenbar eine möglichst ambivalente Haltung ein. Insbesondere seine Entnazifizierungsakte gibt Hinweise darauf, dass er die neuen Machtstrukturen ab 1933 zur Aufrechterhaltung seines beruflichen Fortkommens erfolgreich nutzte, der Ideologie selbst aber nicht nahestand. Diese verbreitete Form der Nutznießung und Anpassung war es – wie wir kritisch wissen – die eine Diktatur erst möglich machte.

Weitere Karriere ab 1949

Sein Berufsverbot als Komponist durch die amerikanische Militärbehörde endete mit einer gerichtlichen Einstufung als „Mitläufer“ des Regimes und der Zahlung einer Geldstrafe. Ab 1949 kann Franz Grothe dann reibungslos an seine frühere Karriere als erfolgreicher Filmkomponist anknüpfen. Auch dies ist eine eher typische biografische Entwicklung dieser Zeiten, in der die kritische gesellschaftliche aber auch eigene Auseinandersetzung mit der schrecklichen Vergangenheit immer mehr in den Hintergrund geriet. Für den aus der Emigration zurückgekehrten Autor und Regisseur Curt Goetz schrieb Grothe die Filmmusiken zu Frauenarzt Dr. Prätorius (1950), Das Haus in Montevideo (1951) und Hokuspokus (1953). Eine intensive Zusammenarbeit entwickelte sich mit der Schauspielerin Ruth Leuwerik, für die er die Mehrzahl ihrer Filme vertonte, darunter auch der Kino-Erfolg von 1956 Die Trapp-Familie und die ein Jahr später entstandene Produktion Immer, wenn der Tag beginnt. Der darin enthaltene Mitternachts-Blues wurde zu einem Welterfolg, der sich auf Schallplatte millionenfach verkaufte. Künstlerisch außerordentlich ertragreich wurde auch die Zusammenarbeit mit dem Komödien-Spezialisten Kurt Hoffmann. Für ihn schrieb Grothe u.a. die Musik zu zwei der erfolgreichsten Unterhaltungsfilme der fünfziger Jahre: Ich denke oft an Piroschka (1956) und Das Wirtshaus im Spessart (1957). Als musikalischer Leiter und Dirigent der Fernsehsendung Zum Blauen Bock wurde Franz Grothe dann ab 1965 auf dem Bildschirm einem breitem Publikum bekannt.

Auch dem musikalischen Unterhaltungstheater hat sich der Komponist seit Anbeginn seiner Karriere immer wieder gewidmet. Ein besonderer Erfolg gelang ihm 1977 mit der Bühnenadaption des einstigen Filmerfolgs Das Wirtshaus im Spessart.

Neben seiner künstlerischen Arbeit wurde Grothe in vielfacher Hinsicht zum Vertrauensmann seiner Berufskolleginnen und -kollegen, so setze er sich z.B. deren Belange als Vorsitzender des Aufsichtsrates der GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) ein.

Franz Grothes Leben endete mitten in seiner Arbeit. Er starb am 12. September 1982 in Köln, nachdem er zwei Tage zuvor während eines ihm gewidmeten Konzerts beim Westdeutschen Rundfunk einen Herzanfall erlitten hatte. Grothe wurde auf dem Bergfriedhof in seinem langjährigen Wohnort Bad Wiessee (Bayern) begraben.