Interview zur Grothe-Monografie

Theresa Henkel (TH) sprach mit dem Vorstand der Franz Grothe-Stiftung, Dr. Jürgen Brandhorst (JB), über die neue Grothe-Monografie und über die Aufgaben und die Arbeit der Franz Grothe-Stiftung

TH: Warum hat sich die Franz Grothe-Stiftung für eine Monografie zu diesem Komponisten eingesetzt?

JB: Kurz gesagt: Weil es eine solche noch nicht gab. Zu unserem Stifter Franz Grothe, als einem der wichtigsten und einflussreichsten Schöpfer von populärer Musik im 20. Jahrhundert in Deutschland, lag – abgesehen von einem Werkverzeichnis – tatsächlich noch keine umfassendere und wissenschaftlich gestützte Lebens- und Werkbeschreibung vor. Diese Veröffentlichung erschien aus Sicht der Stiftung daher wichtig und war erwartungsgemäß aufwendig, denn der Komponist hat sich mit Selbstzeugnissen zu seiner Biografie sehr zurückgehalten. Die Gründe für diese Zurückhaltung sind möglicherweise eine Mischung aus persönlicher Bescheidenheit und dem Wunsch, über bestimmte Lebensabschnitte nicht öffentlich sprechen zu wollen.

Sie spielen damit auf seine Tätigkeiten in der Zeit des Nationalsozialismus an? Grothe war Mitglied der NSDAP, und er hatte u. a. als stellvertretender „Fachschaftsleiter Komponisten“ der Reichsmusikkammer eine besondere Stellung. Grothe wird daher immer wieder einmal in Feuilletons als „Nazikomponist“ dargestellt. Dies führte jüngst z. B. zu einer Diskussion im Stadtrat in Weiden i.d.OPf., die dortige Franz-Grothe-Musikschule umzubenennen oder aber in Bad Wiessee zu den Versuchen, den Komponisten für den rechtspopulistischen Bereich zu vereinnahmen.

Die Stiftung muss und will – so unser Selbstverständnis – eine führende Rolle übernehmen, wenn es darum geht, die Lebensgeschichte des Stifters insgesamt transparent aufzurollen und zu bewerten. Nur so ist eine sachliche und sachgerechte Einordnung der Person Grothes möglich. Auch sein musikalisches Schaffen zwischen 1933 und 1945 muss kritisch betrachtet werden, denn populäre Musik ist zumeist nicht unpolitisch. Die satzungsmäßig geforderte „Wahrung des Andenkens“ an den Stifter steht dazu – so unsere Auffassung – nicht im Widerspruch. Die nun veröffentlichte Biografie ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Das Ergebnis zeigt, dass Grothe offensichtlich von seinen Verpflichtungen durch die Nationalsozialisten profitiert und die Machthaber durch seine Tätigkeiten als Komponist und Funktionär unterstützt hat, aber nicht direkt politisch für die Diktatur aktiv war. Eine durchaus typische Haltung vieler Deutscher in jener Zeit, die letztlich zur Mitschuld an schlimmsten Verbrechen führte. Solche Lebensgeschichten sind somit auch Mahnung an uns, undemokratischen und menschenverachtenden Tendenzen stets entschlossen entgegenzutreten und persönliche politische Verantwortung zu übernehmen. Einer Vereinnahmung Grothes durch rechtspopulistische Strömungen hat sich die Stiftung selbstverständlich entschieden entgegengestellt. Dazu ist die Person Grothes, wie seine Biografie belegt, auch denkbar ungeeignet …

Welche Aufgaben stehen im Zentrum Ihrer Stiftungsarbeit?

Eine wesentliche Aufgabe ist es, das musikalische Werk Grothes lebendig zu halten. Er war seinerzeit in Deutschland – auch in der öffentlichen Wahrnehmung – immerhin einer der bekanntesten Musiker. Im Fernsehen werden Filme mit der Musik Grothes zwar gelegentlich wiederholt. Aber das Interesse des heutigen Publikums an populären Liedern des 20. Jahrhunderts ist derzeit auf einen kleineren Kreis von Liebhabern eingeschränkt – und wartet möglicherweise auf ein „Comeback“. Im Hörfunk findet solches Repertoire mittlerweile nahezu gar nicht statt. Dabei ist das sehr gute Musik, die es tatsächlich verdient, entdeckt, gespielt und gehört zu werden. Dafür setzt sich die Stiftung in Hinblick auf Grothe ein. Zudem unterstützt die Franz Grothe-Stiftung z. B. gezielt bedürftige Musikschüler und Studenten an ausge- wählten Ausbildungseinrichtungen.

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